Energieberatung: Nachfrage explodiert

Preise für Strom und Gas steigen – und mit ihnen die Verunsicherung beim Thema Versorgung

Je höher die Strom- und Energiekosten steigen, desto mehr Menschen versuchen, diese Erhöhungen durch einen geringeren Verbrauch und Umstellung auf Versorgungsalternativen abzumildern. Experten und Berater sind gefragt wie selten zuvor.

Im Energieberatungszentrum (EBZ) etwa erleben Geschäftsführer Frank Melchior und sein Team derzeit, wie er sagt, „eine ganz deutlich gestiegene Nachfrage, die zwar nicht erst in den letzten Wochen einsetzte, sondern bereits im vergangenen Jahr“. Die aber spätestens seit Beginn des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Debatte um einen Ausstieg aus russischen Öl- und Gaslieferungen noch einmal enorm angeschoben wurde.

Vor allem Privathaushalte wenden sich an die Energieberater, so Melchior, „so viele, dass es inzwischen schwer geworden ist, diese Anfragen einzeln zu beantworten“. Die Nachfrage „explodiert fast“. Dabei reichten die Themen von kleinen Schritten zur Einsparung von Kosten bis hin zur Optimierung und Umrüstung ganzer Häuser und einer quasi autarken Versorgung. Verbraucherzentralen berichten von Nachfragen vor allem wegen gestiegener Stromkosten. „Zu Strom wurde im Januar 2022 fünfmal so oft beraten wie zu Gas“, so eine Sprecherin der niedersächsischen Zentrale.

Eine Situation, die für die Fachleute nicht leicht zu bewältigen, für Melchior aber absolut verständlich ist: „Gerade die öffentlichen Debatten sind es, die die Menschen verunsichern“, sagt er. „Wenn Politiker im Fernsehen wie Fachleute auftreten und pauschale Empfehlungen geben, kann das schwierig werden.“

Ein Beispiel: die Wärmepumpe, deren Einbau den Leuten oft als generell geeignete Lösung nahegelegt werde. „Dabei hätte die in den meisten Fällen überhaupt gar keinen Sinn, weil die Stromkosten extrem steigen würden“, sagt Melchior. „Ob eine Wärmepumpe gut ist, muss man individuell entscheiden, das können nicht Leute aus Berlin einfach behaupten.“

Oft könnten etwa Hybridlösungen sinnvoller sein, die Gasheizung und Wärmepumpe beinhalten. Um aber eine Wärmepumpe überhaupt effektiv zum Einsatz bringen zu können, müsse ein Haus strenge Energiestandards erfüllen – ein Lösungsansatz also, der insgesamt gründlich geprüft werden muss.

Was man aber tatsächlich pauschal sagen könne: Keine Ersparnis ist zu gering, als dass sie sich nicht lohnen würde. Melchior spricht von „Quellen, die es in jedem Haushalt gibt, etwa die Heizung. Da kann ich mich immer fragen: Reichen nicht auch ein paar Grad weniger Raumtemperatur?“ Letzten Endes mache sich jede Kleinigkeit auf der Zähleruhr bemerkbar, während man gleichzeitig der Umwelt Gutes tue. „Das ist auch beim Licht der Fall. Wenn man manchmal durch die Stadt fährt und sieht, wie viele Häuser hell beleuchtet sind, innen und außen – da fragt man sich schon, ob das nun wirklich sein muss“, sagt Melchior.

Für alle, die ihre Versorgung grundsätzlich umstellen wollen, weist er auf die staatlichen Förderungen hin. „Das ist derzeit extrem lukrativ, Maßnahmen werden mit bis zu 45 Prozent Kostenübernahme gefördert.“ Laut einer Umfrage des Hamburger Marktforschungsinstituts Appino etwa wollen 25 Prozent der deutschen Hauseigentümer in diesem Jahr in eine Photovoltaikanlage investieren. Das wäre ein Markt von 3,5 Millionen Anlagen – 17,5 Mal mehr als 2021.

Die riesige Nachfrage ist ein Grund, warum die Preise für Solarmodule innerhalb eines Jahres um rund zehn Prozent gestiegen sind. Ein anderer sind Lieferengpässe, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, die internationale Lieferketten ins Wanken brachte. „Viele Menschen haben in der Zeit der Pandemie Geld gespart und wollen das jetzt in eine energetische Umrüstung stecken“, sagt Melchior. „Ein guter Zeitpunkt.“ Wenn man einen Berater und Handwerker findet.

Beratung gibt es unter anderem auch bei der Klimaschutzagentur des Landkreises Hildesheim, die in Kooperation mit der Verbraucherzentrale Niedersachsen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erhält, das gesamte Beratungsangebot anbietet.

Das Energieberatungszentrum will demnächst zumindest einen Teil seiner Anfragen bündeln und an Infoabenden beantworten. Ab Mai soll es losgehen.

 

Quelle: Artikel Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 08.04.2022 von Kathi Flau
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